Ihr Gehör - die Verbindung zur Welt

Was wir hören, verbindet uns mit der Umwelt. Über das Gehörte nehmen wir am Alltag teil und kommunizieren mit anderen Menschen. Dazugehören heißt es eben nicht zufällig, denn nur wer gut zuhört, kann auch mitreden.

Dabei sind unsere Ohren 24 Stunden nonstop aktiv. Auch nachts, wenn wir schlafen. Doch das Ohr ist ein äußerst komplexes Organ. Nur eine stetige Kontrolle kann auch im Alter eine Erhaltung des Hörvermögens gewährleisten.

Wie der gesamte Körper ist auch das Ohr perfekt für seine Funktion gebaut. Hauptaufgabe ist es, Informationen in Form von Schallwellen aufzufangen und sie so umzuwandeln, dass unser Gehirn sie verarbeiten kann. Erst dort - im Gehirn – passiert das eigentliche Verstehen. Speziell die Frequenzen um 1500 Hz, die den Hauptteil der Sprachkommunikation ausmachen, werden durch die Form des menschlichen Ohres natürlich verstärkt.

(1) Äußeres Ohr
Die Ohrmuschel dient zur Bündelung und Lokalisierung des Schalls. Dieser wird über den Gehörgang weitergeleitet und setzt das Trommelfell in Schwingung.

(2) Mittelohr
Die Schwingungen werden von den Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel (benannt nach ihrer Form) verstärkt und zum Innenohr weitergeleitet.

(3) Innenohr
In der Hörschnecke werden die Schwingungen von den Hörsinneszellen in elektrische Impulse umgewandelt. Diese gelangen über den Hörnerv ins Gehirn, wo sie als Stimmen, Lärm, Musik u. a. identifiziert werden.

Übrigens: Auch und speziell bei Kindern ist gutes Hören immens wichtig für die Sprach-und Sozialentwicklung.

Fakten über das Hören - Hätten Sie es gewusst?

Warum haben wir eigentlich zwei Ohren zum Hören?

Unser Gehör ist für zwei Ohren gemacht. Weil das Gehirn den Schall von beiden Ohren gemeinsam auswertet, erkennen Sie, aus welcher Richtung Geräusche oder Stimme kommen. Mit zwei Ohren hören Sie räumlich. Außerdem fällt es Ihnen leichter, eine Unterhaltung zu führen und Geräusche im Hintergrund auszublenden.

Kann Hören müde machen?

Lässt das Hörvermögen nach, werden Informationen undeutlicher und unvollständiger. Das Gehirn muss diese Lücken füllen und sich zusammenreimen, was gesagt wurde. Die Folge: Im Laufe des Tages fühlen Sie sich immer erschöpfter.
Je mehr akustische Details das Gehirn erhält, desto leichter kann es Sprache und Lärm getrennt wahrnehmen oder Gesagtes verstehen.

Hören alle Menschen "gleich"?

Jeder Mensch nimmt Klänge unterschiedlich wahr – je nach Vorlieben und momentaner Stimmung. Neben Ihrem persönlichen Hör-Geschmack ist es entscheidend, wie Ihr Gehirn Schall verarbeitet. Je individueller Hörsysteme den Schall für Sie übertragen, desto angenehmer und leichter hören und verstehen Sie.

Demenz in Verbindung mit Schwerhörigkeit

Was bedeutet Demenz?

Mit dem Begriff Demenz werden bestimmte Symptome zusammengefasst, die miteinander kombiniert bei verschiedenen Krankheiten auftreten.

In dem Wort „Demenz“ steckt das lateinische Wort „Mens“ = Geist, Verstand. Zusammen mit der Vorsilbe „De“ bedeutet es so viel wie „abnehmender Verstand“. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Demenz mit einem Verfall der kognitiven Leistungsfähigkeit, der stärker ist, als es altersgemäß erwartbar wäre. Die gemeinten Symptome betreffen also die abnehmende Leistungsfähigkeit im Wahrnehmen, Denken und Erkennen (Kognition) und die resultierenden veränderten Verhaltensweisen.

Letztendlich nimmt die Leistungsfähigkeit des Gehirns ab.

Welchen Einfluss hat eine Schwerhörigkeit?

Für unser Gehirn hat eine Schwerhörigkeit eine verminderte Versorgung mit Nervenimpulsen zur Folge.

Ein gesundes Gehör versorgt das Gehirn kontinuierlich mit Informationen von der Außenwelt. Es nimmt zu jeder Tages- und Nachtzeit Schall auf – auch wenn wir schlafen. Irgendein Geräusch gibt es immer, auch wenn es nur unser eigener Atem ist. Vieles davon nehmen wir nicht bewusst wahr, das ist richtig. Dies ist allerdings schon eine Leistung unseres Gehirns. Es sortiert aufgenommene Signale in Wichtig und Unwichtig. Nur die als Wichtig eingeordneten Signale erreichen unser Bewusstsein.

Gleichzeitig ist unser Gehirn faul – oder nennen wir es effizient. Tatsächlich passt das Gehirn seine vorhandenen Strukturen zeitlebens den Informationen an, die es bekommt. Strukturen, die durch Informationen von außen viel beansprucht werden, sind stärker ausgeprägt als solche, die wenig benötigt werden. Wenn wir beginnen, eine Sprache oder ein Instrument zu lernen, werden im Gehirn neue Strukturen aufgebaut. Dies ist ein stetiger Prozess. Je mehr wir lernen und üben, desto sicherer werden wir in der neuen Fähigkeit. Ein anschauliches Bild mag ein Trampelpfad im Wald sein. Je häufiger er verwendet wird, umso ausgetretener und leichter begehbar wird er. Eventuelle Abzweige in andere Richtungen sind gut zu erkennen. Umgekehrt ist es aber auch so, dass ein Trampelpfad wieder schmaler wird und zuwächst, wenn er wenig benutzt wird. Das gleiche passiert im Gehirn: Strukturen, die weniger genutzt werden, werden nur entsprechend dem Nutzungsgrad erhalten.

Was bedeutet das für eine Hörminderung? Bleibt die Hörminderung unversorgt, wird auch das Gehirn mit weniger Nervenimpulsen aus dem Innenohr versorgt. Hält dies über einen längeren Zeitraum an, werden die weniger beanspruchten Strukturen im Gehirn dementsprechend reduziert. Der vormals bequem zu gehende Weg wächst langsam zu, Abzweige sind eventuell nicht mehr zu finden. Geräusche, die aufgrund der Hörminderung schon länger unter der persönlichen Wahrnehmungsschwelle liegen, können dann zunächst nicht richtig eingeordnet werden, selbst wenn sie durch eine Hörgeräteversorgung hörbar gemacht werden. Wer sich zu einer Hörgeräteversorgung entschließt, müsste in diesem Bild mit einer Gartenschere bewaffnet Zweige und Ranken auf dem Weg wegschneiden, um die bestehenden Abzweige wieder sichtbar zu machen. Das ist unbequem, lohnt sich aber, denn der Weg wird nach getaner Arbeit wieder ein bequem zu nutzender Trampelpfad.

Eine unversorgte Schwerhörigkeit hat also an sich schon den Abbau von Gehirnstrukturen zur Folge. Liegt eine demenzielle Erkrankung vor, kommen weitere Faktoren hinzu, durch die Gehirnstrukturen abnehmen. Das Tragen von Hörgeräten bei einer Hörminderung wirkt den Abbauprozess entgegen.

Fazit

Es lohnt sich in jedem Fall, einer Schwerhörigkeit so früh wie möglich mit einer Hörgeräteversorgung zu begegnen. Wer seine Hörgeräte trägt, erhält die Gehirnstrukturen, die für die Hörwahrnehmung, das Verstehen von Sprache und das Erkennen von Geräuschen zuständig sind. Hörgeräte wirken wie die Heckenschere, mit der wir dafür sorgen, dass der Trampelpfad begehbar und die Abzweigungen erkennbar bleiben, bei einer demenziellen Erkrankung zumindest für eine längere Zeit.

Literatur

Henning Beck, Sofia Anastasiadou, Christopher Meyer zu Reckendorf: „Faszinierendes Gehirn: Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen“, Springer-Verlag, Dezember 2015

Publikationen zum Thema (zu finden Stand April 2022 auf der Homepage des DSB | Deutscher Schwerhörigenbund e.V. (DSB) :

Eva Richter „Demenz und Schwerhörigkeit – Möglichkeiten gezielter pflegetherapeutischer Maßnahmen in der ganzheitlichen Pflege und Betreuung von schwerhörigen an Demenz Erkrankten“, Facharbeit Im Rahmen der Fachweiterbildung „Gerontologische Pflege“ von KK Training, Hannover, September 2003

Mechthild Decker-Maruska, Reiner Hoffmann und Dr. Michael Lerch: „Demenz und Schwerhörigkeit im Alter“ in der Zeitschrift „pflegen: Demenz“, September 2008